Auch Hannes begegnet dem Wolf: (Kriegsgefangenschaft in Russland) Niemand draußen wusste, ob oder wo er lebte. Er ging in der Lagerwelt auf, existierte nur dort. Es gab keinen Außenraum mehr. Seine Zigaretten tauschte er gegen Brot. Das alte Festhalten an Zahlen, die Bäckerregeln im Blut. Im Sommer arbeiteten sie auf einer Kolchose; von ihrem Gehalt zahlten sie Steuern und Gebühren an das Lager, das Wenige, was übrig blieb, wurde auf ein Konto überwiesen. Einmal durfte er 150 Rubel abheben, sie waren im Handumdrehen verbraucht und, wie er hoffte, klug verteilt. Er hätte gewusst, wie man einen Hasen fing; es gab
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Archives for Wolf
Wolf und Fuchs (2)
Simone erzählt eine Gute-Nacht-Geschichte nach, die Eustachius gern erzählte: In den Wäldern um die Stadt Gubbio lebte ein großer, schrecklicher Wolf. Er riss, was er fassen konnte, fasste mehr, als man glauben wollte. Kaum ein Mensch wagte sich, seit er sich einige Male gezeigt hatte, über die Mauern der Stadt hinaus, ihr Bild verschwamm den Bewohnern vorm Gesicht, so eingeschlossen fanden sie sich, denn nie mehr konnten sie auf sich zurückschauen, nie sich von sich entfernen. Und wenn sie die zunehmend stumpfen Augen einmal öffneten, sahen sie erneut nichts als den Wolf, wie er, im Mittagslicht nur er selbst, schattenlos
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Wolf und Fuchs (1)
Eustachius erinnert sich Als ich an einem dieser Junimorgen am Teich den Kopf hob, stand schräg vor mir ein Wolf. Das Fell um seinen Kopf wölbte sich wie ein Kragen, grau, braun und weiß; geschmeidig wirkte er, fast füchsisch. Die Schnauze länger als bei einem Hund, die Brust schmaler, der Rist hoch, fellig, ein Grat. Er sah mir unmittelbar in die Augen und hielt mühelos meinem Blick stand. Seine Hornhaut war bernsteinfarben, die schwarze Pupille tierhaft undurchdringlich. Gewiss spürte er meinen Schrecken, ich war ein Menschenjunges, das nichts hörte, nichts roch, die Schwingungen des Bodens nicht fühlte, sich tölpelhaft überraschen
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