Archives for Krieg

Wolf und Fuchs (6)

Hannes, nach 25 Jahren in München Wenn man wartet und wartet, sagte ich zu Eustachius, sitzt man irgendwann einfach nur da und nimmt wahr. Das Traumglucksen der Hühner, sagte ich, um ihm nicht vom Krieg zu erzählen, während ich an den Krieg dachte, das Fiepen der Küken, die nicht schlafen, das vereinzelte Gurren von Tauben. Hin und wieder spielt der Wind in ein paar Ästen. Ich erzählte von einer Nacht in Großmutters Stall auf dem Hof bei Netsche. Ich erzählte eine Geschichte vom Kommen, Liegen und Gehen. Draußen quietscht ein Tor, sagte ich zu Eustachius. Man wartet auf den Fuchs,
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Holzvergaser

Holzvergaser: Ein Holzvergaser, befüllt mit Brennholz, erzeugt brennbares Holzgas, das in Krisenzeiten als Ersatz für Benzin benutzt werden kann. In den 30er und 40er Jahren statteten zahlreiche Fahrer ihre Kraftfahrzeuge in Eigeninitiative mit einem improvisierten Holzvergaser aus. Die Generatoren wurden an die Karosserie gebaut oder als Anhänger mitgeführt. Durch Erhitzen entwich aus dem Holz das brennbare Gasgemisch (Holzgas). Wikipedia sagt: „Bis in die frühen 1950er Jahre waren mit Sonderführerschein etliche Kleinlastwagen im Einsatz, für die nur geprüfte Buchenholzscheite werden durften. Drei Kilo Holz ersetzten einen Liter Benzin. Das speziell für die Holzvergasung getrocknete und in die richtige Größe zerkleinerte Holz wurde
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Triage

Triage: ein von dem französischen Verb trier (sortieren) hergeleiteter Begriff aus der Militärmedizin mit der Bedeutung ‚Sichtung‘ oder ‚Einteilung‘. Bis heute wird das Verfahren bei einem Massenanfall von Verletzten sowie in Not- oder Kriegssituationen angewendet. Es handelt sich um ein Stratifikationsverfahren vor der ersten Diagnose. Zu Hannes‘ Zeit (Zweiter Weltkrieg nach 1940) gilt: leicht Verwundete bleiben im Frontlazarett; Verwundete, deren Verletzung heilbar ist, aber mehr Zeit/Aufwand erfordert, werden in ein Lazarett hinter der Front gebracht, lebensgefährlich Verletzte werden nicht behandelt.
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Breslau 1945

Ich bin acht oder neun Jahre alt, stehe im Wohnzimmer meiner Großeltern, Vater und Opa unterhalten sich. Was ein Fest ist, weiß ich wohl. Doch eine Festung? Der Buchumschlag, auf dem das Wort steht, verheißt nichts Gutes.
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Essay (1)

Sich umzudrehen ist gefährlich. Lots Frau erstarrt zur Salzsäule. Sich umzudrehen ist schön: Wer sich dreht, sieht mehr. Liebe Hoffnung Glück. Glückliche Räume. Wie wird etwas gerade, wie rund? Wie hängt man es auf: hält es fest, erinnert sich daran, stellt es dar?
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Wegewirklichkeit

Wegewirklichkeit: für den Roman erfundenes Wort. Teil der spezifischen Erfahrungsrealität einer Flucht. Hinzukommen, bei den einen: die Kämpfe am Ende des Krieges, das Winterwetter. „Unterkommen“, bei jemandem einschlüpfen. Ausgebombt werden. Alle Wege verstellt. Hunger, Erfrierungen, Schmerzen. Umkehren? Krank sein? Zu dritt ist man aufgebrochen. Nach drei Monaten Flucht ist man nur noch zu zweit. Wegewirklichkeit? Das Glück (und die Dankbarkeit dafür), wenn es überhaupt einen Weg gibt. Bei den anderen: drei Wochen Fahrt in einem offenen Güterwaggon. Mit fremden Familien viel Gepäck, einem Pferd, einer Kuh. Bewacht von Russen. Stark bewacht. Nichts zu sehen vom Weg. Man ist blind, wird
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Katastrophensehnsucht

Katastrophensehnsucht: Haupteindruck nach der Lektüre zahlreicher Selbstzeugnisse von Kriegskindern. Eines der Lebensmuster, die sich abzeichneten: nach 20 oder mehr Jahren Ehe/Partnerschaft wird die Beziehung ohne erkennbaren tieferen Grund „gekündigt“: das Flüchtlings-„Kind“ reist ab. Möglich auch in Bezug auf langjährige Arbeitsverhältnisse. Der Drang, einen Bruch im eigenen Leben zu erzeugen, der dieses Leben (noch einmal) in seinen Grundfesten erschüttert, wird so übermächtig, dass der Betroffene nachgibt.
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