Monthly Archives Februar 2014

Luger

Luger: eine Pistole, eigentlich 08 oder Parabellum-Pistole, manchmal nach ihrem Konstrukteur, dem Österreicher Georg J. Luger, kurz „Luger“ genannt. Die Bezeichnung „Parabellum“ rührt von dem lateinischen Spruch Si vis pacem, para bellum („Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor“), dem Warenzeichen und der Telegrammadresse der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken AG in Berlin. Im Süddeutschen bedeutet das Wort ‚lugen‘ nach jemandem Ausschau zu halten, zu spähen, um eine Ecke zu blinzeln. Über ‚Lug‘ wie in „Lug und Trug“ ist der Name klanglich mit „Lüge“ verbunden. Spähend und gemein komm die Luger-Kugel (böser Reim) um die unwahrscheinlichste Ecke geflogen.
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Schnakala

Schnakala: schlesisches Kosewort für Enkel. Eine Freundin, die ich noch aus dem Studium kenne, überraschte mich beim Aufschlagen des Romans damit, dass ihr das Wort vertraut war. Meiner Meinung nach stammte sie aus Kiel. Nun unterhielten wir uns über die Herkunftsgeschichten unserer Eltern, die in den 80er Jahren, als wir gemeinsam studierten, keine Rolle spielten. Das lag an unserem Alter, gewiss. Hinzukommt allerdings, dass es keinen gesellschaftlichen Raum gab (zu dem wir hätten gehören wollen), in dem das Thema überhaupt sprechbar gewesen wäre.
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Erben

Erben: vor einigen Jahren zog das Schlagwort von der “Erbengeneration“ durch die Feuilletons. Gemeint waren insbesondere die Kinder der Aufbaugeneration der Bundesrepublik. Inzwischen scheint der Begriff verschwunden; man ahnt wohl, dass die Sache mit dem Erben so einfach nicht sein wird. Jüngst antwortete mein Vater auf die Frage eines Interviewers, was seine Tochter mit seiner Flüchtlingsgeschichte zu tun haben könnte, mit einem knappen „nichts.“ Seinen Schmerz hält er für unsichtbar. Doch seitdem ich 14 wurde, erzählt er mir an jedem meiner Geburtstage, dass er als 14jähriger Junge eben in der Nacht vor diesem Geburtstag aus seinem Zuhause fliehen musste. Jedes
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Engerling

Engerling: abgeleitet aus dem alt- und mittelhochdeutschen enger(l)inc (kleiner Wurm) bezeichnet das Wort Käferlarven und wird umgangssprachlich insbesondere für die Larven der Mai- und Junikäfer verwendet. Maikäfer-Engerlinge schlüpfen nach vier bis sechs Wochen aus dem Ei. Sie werden fünf bis sechs Zentimeter lang; der Körper ist weißlich, der Kopf braun. Zwei bis vier Jahre leben sie in der Erde, wo sie sich von Humus, Gräser- und Baumwurzeln ernähren. Bei warmer Witterung verpuppt sich der Engerling. Einige Wochen später schlüpft der Käfer, der noch einmal in einer Erdhöhle überwintert, aus der er im Mai des folgenden Jahres an die Oberfläche kriecht.
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Robert Bosch Stiftung: Die Recherchereise

„[…] nach zahlreichen Vorarbeiten, fuhr ich im Frühjahr 2012 nach Wrocław-Breslau, Kreisau und Oels. Ich brauchte Orts-Gefühl – mit den eigenen Augen, der Nase, den Füßen; ich suchte ein Haus für einen Teil meiner historischen Handlung (fand es am Matthiasplatz, auf den Fotos ist seine Treppe zu sehen, die im Roman zwei Mal eine wichtige Rolle spielt), musste wissen, wie die Mailuft Breslaus riecht (nachts, an der Liebighöhe), wie der Zobten aus der Ferne aussieht (auf dem Regenbild). Ich suchte und fand Zeitzeugen, die mir vom Sommer 1945 in der zerstörten Stadt erzählten, von ihrer Flucht“ Einen ersten Eindruck dieser
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Katastrophensehnsucht

Katastrophensehnsucht: Haupteindruck nach der Lektüre zahlreicher Selbstzeugnisse von Kriegskindern. Eines der Lebensmuster, die sich abzeichneten: nach 20 oder mehr Jahren Ehe/Partnerschaft wird die Beziehung ohne erkennbaren tieferen Grund „gekündigt“: das Flüchtlings-„Kind“ reist ab. Möglich auch in Bezug auf langjährige Arbeitsverhältnisse. Der Drang, einen Bruch im eigenen Leben zu erzeugen, der dieses Leben (noch einmal) in seinen Grundfesten erschüttert, wird so übermächtig, dass der Betroffene nachgibt.
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Postmemory

Der Begriff stammt von Marianne Hirsch, die ihn erstmals Anfang der 90er Jahre in einem Artikel zu Art Spiegelmans Maus benutzte. Postmemory, so die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Rumänien geborene Literaturwissenschaftlerin auf ihrer Website, beschreibe das Verhältnis der Nachfolgegeneration zu den persönlichen, kollektiven und kulturellen Traumata, die die Vorgängergeneration erfuhr. Hirsch entwickelte das Konzept anhand eigener Erfahrungen sowie unter Auswertung literarischer und künstlerischer Darstellungen des Phänomens der „fremden Erinnerung“. Die Erfahrungen der Vorgängergeneration(en) werden, vermittelt durch häufig mehr oder minder anekdotische oder nur rudimentäre Erzählungen, Bilder und Verhaltensweisen, inmitten derer die Nachfolgegeneration aufwuchs, „erinnert“. Hirsch beobachtet eine derart
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Memories Cascading

memories cascading: ein der Forschungsliteratur zu Postmemory oder transgenerationeller Traumatisierung entnommener Begriff. Was Kinder unbewusst von Eltern übernehmen, betrifft nicht nur Gefühle, Gefühlsstrukturen und Habitus, sondern kann Träume und Ängste generieren und zur Entwicklung körperlicher Symptome führen. Manchmal, wenn ich von meinem Romanprojekt erzählte, antworteten mir Freunde oder Bekannten, dass sie manchmal Träume träumten, die sie dem Leben eines ihrer Elternteile zuordnen könnten. Begleitet von irrationalen Ängsten vor Hunger, Schnee oder Regen, davor, dass ein Geschwisterkind sterben könnte, vor Donner und Blitz. In manchen Wochen sei das intensiv, in anderen verschwinde es zur Gänze. Das Phänomen ist bekannt, doch wenig
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Sei froh, dass du lebst

Sei froh, dass du lebst: Ursprünglich stand hier: „Diesen Satz verdanke ich Sabine Bode und ihren mit zahlreichen Kriegskindern geführten Interviews. Viele von ihnen berichteten, dieses „sei froh, dass du lebst“ nach der Flucht bzw. nach dem Krieg häufig gehört zu haben, insbesondere von ihren Müttern. Die jedes Klagen damit im Keim erstickten. Ein erschlagender Satz.“ Was hier stand, ist richtig. Dennoch stimmt es nicht: ich selbst noch habe diesen Satz aus dem Mund meines Flüchtling-Vaters zu hören bekommen. Wenn auch mit kleinen Abwandlungen: „Sei froh, dass es dich gibt“. „Sei froh, dass du im Frieden lebst.“ „Sei froh, wie
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verzogen

verzogen: lange Zeit hieß der Roman „Die Verzogenen“. Der Begriff umreißt die Ausgangsfrage: welche Folgen haben die Zwangsvertreibungen in Polen und Deutschland von 1945? Was ist für die betroffenen Menschen aus dem Lot geraden? Welche Ängste begleiten sie seither? Meine weibliche Vaterverwandtschaft hortete Lebensmittel. In den Kammern einer Großtante, die 2013 in hohem Alter verstarb (Jahrgang 1916) fanden sich 53 Honiggläser, 119 Zigarettenstangen, über 500 Wein- und Kognacflaschen, 44 Flaschen Eierlikör, 57 Dosen mit eingemachten Pfirsichen. Und vieles mehr. Genauigkeit, zwanghafte Gründlichkeit, Sehnsucht nach Besitz? Eustachius Grolmann rückt Bilder gerade. Die Geste gilt nicht eigentlich dem Bild, sie gilt der
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